Als Pflegewissenschaftlerin moderne Pflege gestalten

Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Nadia Wohlfahrt

Mit ihrem Studium wollte die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Nadia Wohlfarth den immer komplexeren Krankheitsbildern und Behandlungsverfahren besser gerecht werden. Die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet heute zu einer Hälfte in der Pflege und zur anderen in der Pflegequalitätsentwicklung. Dort entwickelt sie evidenzbasierte Präventions- und Versorgungskonzepte mit dem Ziel, die Ergebnisqualität für Patienten wie für das interdisziplinäre Behandlungsteam nachhaltig zu verbessern.

„Hochkomplexe Pflegesituationen haben mich schon immer gereizt“, nennt Nadia Wohlfarth einen der Gründe, weshalb sie nach der Ausbildung, einer Weiterbildung in der Palliativ-Pflege und der Tätigkeit als Stationsleitung noch studiert hat. Neben der Komplexität war Wohlfarth schon zu Beginn ihrer Ausbildung bewusst, wie wichtig der Pflegeberuf ist: „Ich möchte Patienten versorgen, unterstützen, mit ihnen kommunizieren, erklären und Antworten geben. Ich möchte eine Säule im System sein. Das alles bietet der Pflegeberuf“, sagt die Hernerin. Das Zusammenspiel zwischen Patientenversorgung und Wissenschaft macht ihr besonders viel Spaß. „Ich mag es mit Forschung und Recherche die passende Lösung für ein Problem in der Pflege zu finden und meine wissenschaftliche Expertise in die direkte Patientenversorgung einzubringen“, erklärt Wohlfarth.

Pflege: Ausbildung, Weiterbildung, Fortbildung, Studium

Nach ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin 2003 in der St. Elisabeth Gruppe ist Nadia Wohlfarth direkt in der Onkologie im Marien Hospital Herne gestartet und hat dort unter anderem Palliativpatienten betreut. Dafür hat sie die Weiterbildung in Palliativ Care absolviert. Hochkomplex also seit Anfang an. Nach ihrer Elternzeit arbeitete Wohlfarth in der Gynäkologie mit Krebspatientinnen. „Ich wurde dann stellvertretende Stationsleitung und war bis zu Beginn meines Studiums 2017 sieben Jahre lang Stationsleitung in unterschiedlichen Fachabteilungen“, berichtet die heute 47jährige. Den Bachelor hat Wohlfarth berufsbegleitend studiert, war also weiterhin Stationsleitung. „Ich konnte mir meine Ausbildung für das Studium anrechnen lassen, sodass ich nur sechs statt acht Semester den Bachelor ‚Evidenzbasiertes pflegerisches Handeln‘ studieren konnte.“ 

Ihren Master in angewandter Gesundheitswissenschaft hat sie 2022 abgeschlossen, dafür ihre Leitungsfunktion abgegeben und die Arbeitszeit auf 50 Prozent reduziert.

„So hatte ich einen vollen freien Tag pro Woche nur für das Studium, was sehr gut mit meinen Kursen an der Hochschule zusammengepasst hat“, so Wohlfarth über ihre Studienzeit. 

Seit ihrem Bachelorabschluss ist Nadia Wohlfarth pflegerische Koordinatorin des palliativmedizinischen Konsiliardienstes im Marien Hospital Herne. „Im Konsiliardienst betreuen wir Patienten, die eine Indikation zur komplexen stationären Palliativversorgung haben, aber nicht auf der Palliativstation behandelt werden“, erklärt Wohlfarth. Die jeweiligen medizinischen Fachabteilungen, die die Patienten betreuen, fragen den Konsiliardienst an, wenn eine palliative Versorgung notwendig ist. „Wir beraten primär das ärztliche und pflegerische Team zu medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungen und visitieren die Patienten täglich.“ Auch die Begleitung und Unterstützung von Angehörigen sowie die Organisation bei der Entlassung fallen in das Aufgabengebiet des Konsiliardienstes. „Meine Aufgaben sind also die direkte Patientenversorgung über den palliativmedizinischen Konsiliardienst und das wissenschaftliche Arbeiten in der Pflegequalitätsentwicklung“, fasst Wohlfarth ihre tägliche Arbeit zusammen. Bei der Versorgung der Patienten übernimmt sie häufig die Rolle der Dolmetscherin zwischen dem Behandlungsteam und Patienten bzw. Angehörigen.

Patientenversorgung und Pflegeentwicklung gehören zusammen

Wie eng die Versorgung von Patienten und die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Pflege zusammenhängen, erklärt Nadia Wohlfarth anhand ihres ersten Projekts nach dem Studium: „Ich habe den Expertenstandard Förderung der Mundgesundheit in der Pflege anhand der sechs Schritte der evidenzbasierten Pflege implementiert“. Dafür hat die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin zunächst aktuelle Forschungsliteratur recherchiert, die Ergebnisse kritisch beurteilt und Interviews mit Pflegefachkräften geführt, um den Kenntnisstand und den Umgang mit dem Thema Mundgesundheit zu erforschen. Nun sind Pocket-Cards und ein Katalog im Einsatz, die kurz und knapp über die aktuell besten wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Mundgesundheit informieren. 

Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Nadia Wohlfahrt mit den Pocketcards

Damit wird eine einheitliche Vorgehensweise im Pflegeteam gestärkt und jeder kann sich im Alltag sicher an klaren und verlässlichen Leitlinien orientieren

Ein weiteres Projektergebnis sind Mundpflegesets, die alle nötigen Utensilien für die Mundbehandlung enthalten.

Für Nadia Wohlfarth gibt es keine Trennung zwischen ihren beiden Rollen. Der einzige Unterschied besteht für sie darin, dass sie ihr Wissen aus der Ausbildung und ihre Erfahrung aus der Patientenversorgung um die wissenschaftliche Evidenz erweitert hat. „Mit zunehmender Akademisierung in der Pflege haben wir mehr und bessere Möglichkeiten, den Kontext eines Problems aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Statt lediglich die Verletzungen zu behandeln, die sich ein Patient bei einem Sturz zugezogen hat, fragen wir heute, warum stürzt ein Patient überhaupt, auch mehrfach? Erst wenn wir das wissen, können wir eine individuelle und patientenorientierte Sturzprävention durchführen. Wir brauchen und haben mit der Akademisierung auch mehr Raum für die Ursachenforschung“, so Wohlfarths Sicht auf die wissenschaftliche Entwicklung in der Pflege.

Berufsgruppenübergreifendes Arbeiten in der Pflege

Im Krankenhaus arbeiten verschiedene Berufsgruppen zusammen, die in Einklang gebracht werden müssen. Und hier liegt eine weitere Aufgabe von Nadia Wohlfarth: die der Mentorin. „Bei bestimmten Problemen fragen mich Kollegen sowohl aus dem ärztlichen als auch aus dem pflegerischen Bereich an.“ Eine Aufgabe sei, für Akzeptanz der akademischen Pflege zu werben. „Gemeinsam mit der Expertise des ärztlichen Dienstes und der dreijährig examinierten Pflegefachkraft können wir eine hochqualitative Patientenversorgung gewährleisten. Ergänzend haben hochschulqualifizierte Pflegefachkräfte die entsprechenden Werkzeuge parat, um bestehende Standards kritisch zu hinterfragen", sagt die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin. Das Ziel dabei sei, die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Gerade arbeitet Wohlfarth mit ihrer Kollegin in der Pflegequalitätsentwicklung an einem Konzept zur Akademisierung in der Pflege mit dem Ziel, Studierende schon während ihres Studiums gut in der Praxis zu begleiten und Hochschulabsolventen noch besser in die Teams zu integrieren. 

Berufsleben in und mit der St. Elisabeth Gruppe

Seit 25 Jahren ist Nadia Wohlfarth nun Teil der St. Elisabeth Gruppe. „Ich wohne nah am Marien Hospital Herne, von daher war damals für die Ausbildung die Wohnortnähe ein gutes Argument, was sich aber für meine weitere Karriere als Glücksfall herausgestellt hat“, so Wohlfarth. Denn die St. Elisabeth Gruppe hat sie von Anfang an bei ihrer beruflichen Entwicklung unterstützt und gefördert. „Neben der Weiterbildung in Palliativ Care konnte ich am Führungskräftetraining der St. Elisabeth Gruppe teilnehmen, das mich sehr gut auf meine Rolle als Stationsleitung vorbereitet hat.“ Diese Unterstützung erhielt Wohlfarth auch im Studium. Die St. Elisabeth Gruppe hat sich anteilig an den Kosten für das Bachelorstudium beteiligt. Wohlfarths Studienzeit wurde als Arbeitszeit gewertet und entsprechend vergütet. Den Master hat Wohlfarth zwar selbst gezahlt, was aber gut ging, weil sie weiter im Marien Hospital mit einer halben Stelle gearbeitet hat. „Ich bin sehr froh, dass ich studiert habe und mich die St. Elisabeth Gruppe gefördert hat, denn die Patientenversorgung wird immer komplexer, da hilft es, sich fachlich weiterzuentwickeln, um in der Versorgung mithalten zu können. Mein Motto im Studium und auch heute noch ist: Wissen schafft verstehen. Ein Studium hilft dabei, zu verstehen, warum wir Dinge machen und was der Patient braucht – also eine personenzentrierte und evidenzbasierte Pflegepraxis“, so Wohlfarths Resümee.