Alltagsbegleitung im psychiatrischen Bereich - Zwischen Herausforderung, Unterstützung und persönlichem Engagement
Verständnis, Flexibilität und ein gutes Gespür für Menschen: Das braucht es im Berufsalltag von Angela Littek, Alltagsbegleiterin im ambulant betreuten Wohnen der St. Elisabeth Gruppe. Die 58-jährige Hernerin unterstützt psychisch erkrankte Klienten bei der Gestaltung ihres Alltags – direkt vor Ort, bei ihnen zuhause. Was sie antreibt, welche Herausforderungen sie täglich bewältigt und warum ihre Arbeit ein unverzichtbarer Baustein in der ambulanten psychiatrischen Versorgung ist, erzählt sie im Gespräch.
Dass sie heute als Alltagsbegleiterin/Betreuungskraft arbeitet, war für Angela Littek nicht von Anfang an geplant. Nach Stationen im Einzelhandel, bei der Post als Zustellerin bei Wind und Wetter, in der Hauswirtschaft eines Seniorenheims und im sozialen Dienst landete sie durch ein Praktikum eher zufällig bei der Alltagsbegleitung – und war sofort begeistert. Mit Menschen hatte sie beruflich zwar schon immer zu tun, aber die Arbeit mit psychisch erkrankten Klienten bot ihr eine neue, tiefere Erfüllung, indem sie ihnen half, ihre täglichen Herausforderungen zu meistern. „Ich habe gemerkt: Das passt zu mir. Es hat sich einfach alles gefügt“, erzählt sie rückblickend. Über eine Qualifizierung am gruppeneigenen Campus stieg sie schließlich in den sozialen Bereich ein – ein beruflicher Neuanfang mit Mitte 50.
Zu Beginn fehlte es ihr an spezifischem Wissen aus der psychiatrischen Berufspraxis, doch dank hilfsbereiter Kollegen stellte dies nie ein Hindernis dar. Ihre fehlende Erfahrung führte sogar zu einer besonderen Unvoreingenommenheit gegenüber den Klienten, was die Zusammenarbeit oftmals erleichterte, insbesondere wenn es darum ging, mit motivationslosen Klienten zu arbeiten.
Heute ist Angela Littek seit zweieinhalb Jahren im ambulant betreuten Wohnen tätig. Sie ist Teil eines 15-köpfigen Teams, arbeitet jedoch überwiegend eigenverantwortlich. Ihre Einsätze plant sie selbst: „Ich erstelle meinen Stundenplan, organisiere Termine mit meinen Klienten und versuche die Fahrwege so effizient wie möglich zu gestalten.“
Unterstützung, die im Alltag ankommt
Ihre Aufgaben sind so vielfältig wie ihre Klienten. Angela Littek begleitet Arztbesuche, hilft bei Einkäufen, unterstützt bei der Haushaltsführung oder ist einfach da, wenn jemand ein Gespräch braucht. Besonders wichtig ist ihr, die Klienten zur Selbstständigkeit anzuleiten – Schritt für Schritt, jeder nach seinem eigenen Tempo.
„Manche Klienten haben Depressionen und schaffen es kaum aus dem Bett. Dann ist es schon ein Erfolg, wenn sie aufstehen, sich anziehen und ein kurzes Gespräch führen“, sagt die Alltagsbegleiterin. Auch bei scheinbar einfachen Aufgaben wie Telefonaten steht sie zur Seite, gerade wenn Ängste oder Unsicherheiten überwiegen. „Ich helfe dabei, die Angst zu überwinden, manchmal auch nur, wenn ich dabeisitze – das gibt den Menschen unglaublich viel.“
Ein typischer Tag? Den gibt es kaum. Jede Woche bringt neue Herausforderungen. Besonders, wenn Termine kurzfristig verschoben werden müssen oder Klienten ihre Pläne ändern. Dann heißt es: einmal tief durchatmen und neu organisieren.
Kleine Schritte, große Wirkung
„Was für mich selbstverständlich ist, ist für meine Klienten nicht immer selbstverständlich“, sagt Angela Littek. Deshalb ist ihr Credo: kleine Dinge, kleine Schritte – die aber oft Großes bewirken. Ob gemeinsam Fischstäbchen zubereiten oder ein Spaziergang durch den Park – diese einfachen, aber wertvollen Erlebnisse geben Struktur, machen stolz und schaffen Vertrauen.
Viele Klienten leben allein, ohne familiäres Umfeld. Da wird die Beziehung zur Alltagsbegleiterin umso wichtiger. Angela Littek arbeitet eng mit dem Sozialdienst, der Pflege oder Therapeuten zusammen – und sorgt so dafür, dass niemand allein durch den Alltag muss. Besonders Gruppenangebote wie Kochgruppen, Frühstücksrunden oder Tagesausflüge stärken das Gemeinschaftsgefühl. „Einmal im Jahr fahren wir gemeinsam ans Meer – das ist für viele ein echtes Highlight.“
Umgang mit schwierigen Situationen
Die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen ist nicht immer leicht. Besonders, wenn Medikamente nicht zuverlässig eingenommen werden. Situationen können sich schnell ändern, Emotionen kochen auf oder Erwartungen gehen aneinander vorbei. Einmal reagierte ein Klient verärgert, als sie statt Bargeld Lebensmitteleinkäufe mitbrachte – er schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Solche Momente können herausfordernd und belastend sein, gehören jedoch zum Arbeitsalltag dazu. „Man darf das nicht persönlich nehmen“, sagt sie. Was ihr dabei hilft, ist der Rückhalt ihres Teams, mit dem sie sich regelmäßig austauscht: „In den Teamsitzungen besprechen wir schwierige Situationen, holen uns Rat und unterstützen uns gegenseitig.“
Zusätzlich hilft Supervision alle drei Monate: „Da kommen wir mit einer Dozentin zusammen, besprechen Fälle und entwickeln neue Sichtweisen“, sagt sie. Ihre eigene Strategie gegen zu viel Belastung: „Rausgehen, Sport machen, Square Dance tanzen – das hilft, den Kopf freizubekommen.“
Fähigkeiten, die zählen – und ein Beruf, der viel zurückgibt
Was muss man mitbringen, um in diesem Job gut zu sein? „Toleranz, Einfühlungsvermögen, Geduld und eine offene, freundliche Art“, zählt Angela Littek auf. Und Small-Talk zu beherrschen sei auch nicht verkehrt, denn es sind so viele verschiedene Charaktere und Altersgruppen, mit denen Alltagsbegleiter zu tun haben. Auch Organisationstalent ist gefragt – denn Alltagsbegleitung bedeutet nicht nur Nähe zu Menschen, sondern auch jede Menge Koordination.
Angela Littek schätzt es, dass ihre Arbeit schnell sichtbar wird – oft schon durch kleine Gesten. „Manchmal ist es nur ein gutes Gespräch oder ein gemeinsames Gemüseschneiden in einer der WGs, die ich regelmäßig aufsuche. Aber für meine Klienten kann das ein Wendepunkt im Tag sein.“ Das direkte Feedback motiviert dann enorm: „Klienten sind dankbar für jede kleinste Aufmerksamkeit und zeigen das meist auch – und das fühlt sich gut an.“
Ein starkes Team im Hintergrund
Auch wenn sie viel allein unterwegs ist: Das Gefühl, Teil eines Teams zu sein, bleibt. „In der St. Elisabeth Gruppe unterstützt jeder jeden. Ich habe nie das Gefühl, allein gelassen zu werden, wenn ich mal ein Problem hab, was ich selbst nicht lösen kann“, sagt Angela Littek. Besonders schätzt sie an ihrem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich über Weiterbildungen fachlich weiterzuentwickeln. „Ich hatte vorher keine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen wie Depression oder Borderline – durch die Fortbildungen habe ich viel dazu gelernt und weiß jetzt besser mit den Klienten umzugehen.“ Im Zuge dessen betont sie, wie auch Krankheitsbilder sehr unterschiedlich ausfallen können.
Angela Littek bringt es auf den Punkt: „Wenn man mit kleinen Dingen Menschen glücklich machen kann – dann ist das so viel wert.“ Die Arbeit als Alltagsbegleiterin ist nicht nur unterstützend, sie ist auch beziehungsstiftend, alltagsnah und sinnstiftend. Für alle, die sich für den Beruf interessieren, hat sie einen klaren Rat: „Man muss offen sein für andere Menschen, auch mal Ablehnung aushalten, sie nicht persönlich nehmen – und bereit sein, sich selbst weiterzuentwickeln. Dann bekommt man viel zurück.“