Kinder kommen rund um die Uhr auf die Welt und richten sich nicht nach der Tages- und Nachtzeit. Damit Geburten auch in der Nacht sicher möglich ist, sind Hebammen rund um die Uhr im Kreißsaal im Einsatz. Die Arbeit ist dabei zwar manchmal ruhiger, aber nicht weniger persönlich in der Betreuung von Schwangeren und Neugeborenen. Einen Einblick in ihre Arbeit bei Nacht geben zwei Hebammen des Marien Hospital Witten.
Um 21 Uhr am Abend beginnt für Lara Günkaya-Weller und Svea Meier die Nachtschicht im Kreißsaal des Marien Hospital Witten. Regelmäßig übernehmen die beiden Hebammen im Monat neben Früh- und Spätdiensten auch den Nachtdienst. In einer rund 15-minütigen Übergabe verschaffen sie sich durch die Erklärungen des Spätdienstes einen Überblick über die Situation im Kreißsaal: Gibt es Frauen, die bereits „unter der Geburt“ sind, also kurz vor der Entbindung des Babys? Welche Frauen sind bereits mit leichteren Wehen im Kreißsaal? Und hat sich vielleicht noch eine Schwangere telefonisch angekündigt? Dann geht es auch direkt los in die Nacht, in der jede Hebamme fest für ihre Schwangeren zuständig ist. Hebammenschülerinnen, die auch in der Nacht mit im Dienst sein können, ergänzen diese Betreuung. Außerdem stehen in der Nacht zusätzliche Aufgaben an: Das Sterilgut wird ausgewechselt, verbrauchte Materialien aus dem Kreißsaal wie Blutentnahmeröhrchen werden aufgefüllt und als stellvertretende pflegerische Leitung des Kreißsaals plant Lara Günkaya-Weller zum Beispiel die nächsten Dienste im Kreißsaal.
Die Vorbereitung von Medikamenten für Schwangere gehört für Lara Günkaya-Weller rund um die Uhr zu ihren Tätigkeiten als Hebamme dazu.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Aufgaben von Hebammen in Bezug auf die Versorgung von Schwangeren am Tag und in der Nacht nicht. „Wir haben auch in der Nacht die Möglichkeit, alle nötigen Untersuchungen durchzuführen“, erklärt Lara Günkaya-Weller, stellvertretende pflegerische Leitung des Kreißsaals des Marien Hospital Witten. „Dazu zählen zum Beispiel ein CTG, eine vaginale Untersuchung, Blutabnahmen, Abstriche auf multiresistente Keime wie MRSA, in Ausnahmefällen auch ein EKG. Da immer auch ein Arzt der Geburtshilfe im Dienst ist, kann auch rund um die Uhr ein Ultraschall durchgeführt werden.“ In der Nacht werden keine vorab geplanten Kaiserschnitte angesetzt, wenn sich jedoch ein Kaiserschnitt aus dem Geburtsverlauf heraus entwickelt oder eine Risikoschwangere nachts vor der Kreißsaaltür steht, bei der eine sofortige Entbindung nötig ist, dann ist ein Kaiserschnitt in kürzester Zeit möglich.
Bei Tag und bei Nacht können alle Untersuchungen durchgeführt werden, wie hier von Hebamme Svea Meier eine Blutabnahme zur Kontrolle verschiedener Werte bei einer Schwangeren im Kreißsaal.
Damit alle Abläufe auch in der Nacht reibungslos funktionieren, steht auch nachts der Kontakt zu anderen Abteilungen des Marien Hospital Witten. „Dazu zählt zum Beispiel das ärztliche Team der Gynäkologie, mit dem wir auch nachts in einem engen Austausch stehen, um Geburten gemeinsam zu betreuen“, erklärt Svea Meier. „Auch das Team der Anästhesie ist rund um die Uhr erreichbar, um eine PDA zu legen oder eine Spinalanästhesie vor einem Kaiserschnitt zu setzen. Außerdem sind die Stationen des Krankenhauses für uns Ansprechpartner. Risikoschwangere können von Stationen jederzeit in den Kreißsaal kommen, sollte bei ihnen in der Nacht eine Veränderung vorliegen.“ Nach einer Geburt bleiben Mutter und Kind noch für einige Stunden zur Überwachung im Kreißsaal, ehe es im Anschluss auf die Wöchnerinnenstation geht – auch das ist nachts möglich. Eine weitere wichtige Kontaktstelle ist außerdem die Kinderklinik nebenan: Bei kindlichen Notfällen rund um die Geburt ist das Team der Kinderklinik schnell zur Stelle.
Das Marien Hospital Witten ist als Perinatalzentrum Level 1 zertifiziert, die höchste Versorgungsstufe. Hier können auch Risikoschwangere, Früh- und Mehrlingsgeburten zu jeder Uhrzeit entbinden. Die Vielfalt der Geburten war ein ausschlaggebender Aspekt für die beiden Hebammen, sich für die Wittener Geburtshilfe zu entscheiden. Beide haben nach ihrer Ausbildung bzw. ihres Studiums zunächst in kleineren Geburtshilfen mit weniger Geburten und ohne Level 1 gearbeitet. Lara Günkaya-Weller entschied sich dann jedoch für einen Wechsel: „Ich wollte mein Wissen noch erweitern und auch Mütter mit Grunderkrankungen oder auch Frühgeburten betreuen. Als Mitarbeiterin im Perinatalzentrum lerne ich bis heute und das schätze ich an meinem Beruf als Hebamme.“ Svea Meier ging es ähnlich: „Ich wollte bewusst die Arbeit in einer kleineren Geburtshilfe kennen lernen und habe mich dann schnell für ein größeres Krankenhaus entschieden.“ Bereut hat das die 26-Jährige bis heute nicht.
Ein weiterer Grund, warum sich die Dortmunderin und die Bochumerin für die Wittener Geburtshilfe entschieden haben? Auch nachts sind Hebammen nie alleine im Dienst, es ist immer ein Team aus mehreren Hebammen vor Ort, dass sich gegenseitig ergänzt und unterstützt und im engen Austausch mit den Ärzten steht. Für beide ein klarer Vorteil, denn sie je nach Auslastung auch schon mal nutzen, um Schwangere gemeinsam in der Nacht bei einer Geburt zu betreuen und von der Arbeitsweise der jeweils anderen zu lernen. Ohnehin schätzen die beiden die ruhige Geburtsatmosphäre in der Nacht. „Manche Aufgaben wie zum Beispiel die Schwangerenambulanz, Anmeldungen zur Geburt oder auch Schwangere, die von ihrem niedergelassenen Gynäkologen zur Kontrolle geschickt wurden, entfallen,“ berichtet Svea Meier. Ruhig ist trotzdem nicht immer, denn oft stimmt der Mythos, dass Kinder sich besonders gerne in der Nacht auf den Weg machen – und versorgen die Hebammen auch nachts intensiv Schwangere und Neugeborene.
Auch nachts arbeitet das Team des Kreißsaals eng zusammen.
Und manche Nächte bleiben den Hebammen besonders gern im Gedächtnis: „Ich arbeite sehr gerne in der Silvesternacht“, sagt Lara Günkaya-Weller. „Als Hebammenteam verbringen wir den Jahreswechsel zusammen, stoßen mit alkoholfreiem Sekt an und freuen uns auf die ersten Neujahrsbabies. Das ist eine ganz besondere Atmosphäre“ Und auch abgesehen von diesen besonderen Nächten freuen sich die Hebammen auf die regelmäßigen Nachtdienste. Tipp der beiden zum Abschluss: Nicht zu viel für den nächsten Tag vornehmen, sondern Schlaf nachholen. Für die beiden Hebammen bedeutet das auch, maximal zwei Hausbesuche von Schwangeren oder Neugeborenen, bevor es am Abend weiter in die nächste Nacht geht.